GEISTIGES.

/Stellungnahme./ Warum ich den Text, den ich im >KLOHÄUSCHEN lese, nicht „ausdrucken“, Dir nicht „geben“ möchte, liebe M.. Ich habe einmal versucht,  meine Gründe zusammen zu schreiben. Der Reihe nach…

1. In erster Linie hat das mit einer “Ökonomie der Aufmerksamkeit” zu tun. Denn das Vorlesen des Textes ermöglicht den „Austausch“ von Aufmerksamkeit. Es öffnet ein Zeitfenster, in dem ich Aufmerksamkeit schenke und gleichzeitig das Geschenk von Aufmerksamkeit empfange. Und das ist sehr selten und kostbar in unserer Zeit, wo unsere Aufmerksamkeit ständig „gefordert“ ist. Das Übergeben eines gedruckten Textes wäre kein „Austausch“ sondern eine „Forderung“. Nämlich die Forderung, den Text zu lesen, ihn aufzunehmen, aufzuräumen, aufzubewahren, dazu Stellung zu nehmen undsoweiter.

2. Es gefällt mir, dass der Text keinen Platz einnimmt. Weder auf einem Bücherregal, noch auf einem Schreibtisch, in einer Schublade oder auf der Festplatte irgendeines Rechners. Und dass er dennoch irgendwie „existiert“. Im Bewusstsein, in der Erinnerung oder vielleicht auch im Herzen von ein paar Leuten, die dabei waren, als ich ihn vorgelesen habe. Man kann ihn auch ganz einfach wieder los werden. Indem man ihn “vergisst”. All das hat für mich etwas mit geistiger >HYGIENE zu tun. Mir gefällt auch die Vorstellung, dass dieser Text einmal mit mir von diesem Planeten verschwinden wird.

3. Entsprechend möchte ich nicht, dass der Text in irgend einer Weise „materialisiert“ wird. Sei es in Form von einem gedruckten Buch, einer Textdatei , einer Audio-CD oder einem Video auf Youtube.  Sein Medium sind Menschen, die ihn beim Zuhören miteinander „teilen“, könnte man sagen. Und zwar „live“. Auch das eine Form der „Anteilnahme“, die in unserer Zeit sehr selten und kostbar geworden ist.

4. Bei alledem geht es mir auch weniger um den Text und seine Vermittlung, als um die „Verbindung“, die zwischen mir als Lesendem und einem oder mehreren Zuhörern aufgespannt wird. Wie ein unsichtbares „Band“ zwischen Menschen, die einander sonst vielleicht gar nicht verbunden sind. Würde ich jetzt einfach nur einen Text irgendwo abgeben, dann wäre ich von der Verbindung abgeschnitten.

5. Ich bin daran interessiert, Orte zu finden, wo ich vorlesen kann respektive Menschen, die diese Orte bereit stellen können. Leider kann ich ihnen den Text aus den genannten Gründen vorab nicht zum “Lesen” geben. Ich könnte ihnen aber am Telefon daraus vorlesen. Wir müssten dazu nur ein „Zeitfenster“ vereinbaren, wo wir den Austausch von Aufmerksamkeit vornehmen. Das können nur wenige Minuten sein. Je nachdem, wie viel Aufmerksamkeit mein Gegenüber investieren möchte. Die Länge für ein ganzes Kapitel sind ca. 25 Minuten.

All diese “Richtlinien” müssen nicht für immer gelten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie sich im Laufe meiner Arbeit mit diesem Text verändern, entwickeln werden. Im Grunde suche ich noch nach der richtigen >FORM für diesen Text. Und vielleicht ist das meine eigentliche Arbeit? Gar nicht das Schreiben?

Das Perfide an der Sache ist, dass ja auch das Lesen dieser Stellungnahme Deine Aufmerksamkeit fordert, erfordert. Ich bin mir dessen bewusst. Und ich danke Dir dafür!

Sag Bescheid, falls Du noch Fragen dazu hast, ja?

Ganz lieben Gruß,
K.

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