Dezember, 2010

WETTBEWERB.


/Betrachtung./ In diesem Jahr gibt es keinen “Kreativitätsnachweis” in Form von einer schön gestalteten Weihnachtskarte, liebe E. Erstens hatte ich keine Zeit. Und zweitens hatte ich keine Lust, um ehrlich zu sein. Stattdessen hier ein paar persönliche Gedanken dazu…

Das Thema “Wettbewerb” beschäftigt mich sehr in letzter Zeit. Wir leben in einer “Wettbewerbsgesellschaft”. Und was das heisst, kann man sich am Beispiel “Weihnachtskarte” ganz gut klar machen… Denn aus der Perspektive einer Kreativagentur hat eine Weihnachtskarte den Charakter eines Rankings. Wenn man sich der Aufgabe ernsthaft stellt, dann muss man sich dabei vorstellen, mit 50 anderen Weihnachtskarten oder Social Media Gags einen Schreibtisch zu bevölkern… Eine wunderschöne Metapher für unseren Verdrängungsmarkt, findest Du nicht? Wer hat die schönste, edelste, aufmerksamkeitsstärkste, lustigste, sympathischste, kreativste Weihnachtskarte? Wer wird gesehen? Wer schafft Vertrauen? Wer wird “gekauft”? Wer bleibt im Gedächtnis? Und wer wandert gleich in die Tonne? Zumindest aber möchte man doch auf dem Tisch nicht fehlen. Was dazu führt, dass tausende und abertausende von Designern, Werbern und Kreativen in der Vorweihnachtszeit ihre Botschaften konzipieren, entwickeln, gestalten, schreiben oder basteln und dafür Unmengen an Ressourcen verbraten. Und das im Zeitalter des Internet. Wo mit ein paar Mausklicks alles abrufbar ist. Ein kurzer Blick auf Google genügt, um sich dieses >BILD einmal klar vor Augen zu führen. Du kannst zwischen 1.500.000 Treffern auswählen…

Um ehrlich zu sein, finde ich dieses Bild erschütternd. Wenn ich d-a-s sehe, dann frage ich mich ernsthaft, ob wir noch ganz gescheit sind. Wäre es nicht schön, wir würden einfach alle einmal “zusammenarbeiten”, statt ständig, immer und überall nur miteinander zu “konkurrieren”? Diese u-n-g-l-a-u-b-l-i-c-h-e Verschwendung, die dieses Wettbewerbsmodell mit sich bringt… wem soll das nützen? Dem Verbraucher etwa? Natürlich leuchtet es mir ein, dass Du Dich über jede dieser Aufmerksamkeiten, die Du in der Vorweihnachtszeit bekommst, richtig freust. Du “denkst” an ihren Absender und fühlst Dich von ihm “bedacht”. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Aber erstens weisst Du auch, dass mit Dir noch 50 bis 200 andere genauso bedacht werden und zweitens gäbe es dazu doch reichlich natürlichere Gelegenheiten als zu Weihnachten. Und mal ehrlich: geht es hier überhaupt noch ums “An-jemanden-denken” oder “Von-ihm-bedacht-werden”? Stell Dir einmal vor, Du hättest anstelle der 50 Weihnachtsgrüße, die alle um die Gunst Deiner Aufmerksamkeit buhlen, nur eine einzige auf dem Tisch: eine einzige Karte, die aus einem guten Geist der Co-Kreation heraus entstanden ist… Wäre das nicht wunderbar? Nur eine einzige Karte, vielleicht mit den Namen und den Fotos all der Leute, die sich zusammen gefunden haben, um Dir eine Freude zu machen? Vielleicht auch von jedem ein paar persönliche Zeilen dazu? Oder eine Dose mit lauter verschiedenen Plätzchen, wo Du wüsstest: dieses Kipferl schickt mir die Druckerei, der Zimtstern ist von der Eventagentur und das Butterplätzchen von mir. Wäre das nicht fein? Die Plätzchen auf dem Foto sind übrigens von den Mädels aus R.’s Klasse. Sie haben “gesammelt”, um ihrer Klassleiterin ein Weihnachtsgeschenk zu machen. Ich liebe dieses Bild…

So muss es sein, finde ich. Und jedenfalls: sich das einmal zu überlegen – wie man das Modell der Co-Kreation in so einer konkreten Wettbewerbs- situation umsetzen könnte – würde mir riesig Freude machen.

Vielleicht schaffe ich es bis zum nächsten Jahr? Für dieses Jahr wünsche ich Dir jedenfalls schon einmal:

Jede Menge Aufmerksamkeit. Und Freude!

Herzlich,
K.