BRIEFTRANCE.

Bild: Arno Steinbrecher. www.pckunst.de

/Betrachtung./ Ich weiss, Du hasst mails, liebe C.. Wenn ich Dir jetzt diese mail schreibe, dann deshalb, um Dir zu erklären, warum ich sie liebe. Und zwar schrecklich liebe. Schon immer schrecklich geliebt habe! Denn mails sind Briefe. Und das Schreiben von mails ist für mich wie das Schreiben von Briefen. Bevor ich nämlich das Schreiben von mails schrecklich geliebt habe, habe ich schon das Schreiben von Briefen schrecklich geliebt. Schon immer habe ich das. Mit teilweise verhängnisvollen Folgen, wie Du vielleicht weisst. Ach, schrecklich… Ich möchte gar nicht daran denken!

Was ich am Briefeschreiben so schrecklich liebe?

Siehst Du? Darüber habe ich nach unserem Telefonat nach gedacht. Und jetzt weiss ich es, C.: Das Schreiben von Briefen gibt mir die Gelegenheit, erst in die Stille, anschliessend zu mir selbst und dann mit mir ins Gespräch zu kommen. So ist das nämlich. In Wirklichkeit rede ich hier doch gar nicht mit Dir, C.. Ich rede hier mit mir selbst, verstehst Du? Oder mit meinem Unterbewusstsein? Mit meinem “Es”? Vielleicht höre ich ihm auch nur zu… Ja genau. Das ist vielleicht treffender. Ich bin doch in einer Art Trance. In einer Brieftrance. Und da treffe ich endlich einmal auf ein Gegenüber, das mir nicht ständig widerspricht, mich unterbricht, mir seine Meinung, sein Weltbild reindrückt oder schon vorher genau weiss, worauf ich hinaus will… Jemand, der mich ernst und  sich die Zeit nimmt, abzuwarten, bis ich einen Gedanken entwickelt und geformt habe. Jemand, der mich versteht. Du liebe Güte… Endlich einmal einer, der sich für mich i-n-t-e-r-e-s-s-i-e-r-t, oder? Ich meine… Wer tut das schon heutzutage?

Na schön, wirst Du jetzt sagen. Schön für Dich, dass Du jemanden gefunden hast, der sich für Dich interessiert… Aber was bitte hat das mit mir zu tun? Was soll ich hier eigentlich?

Ganz einfach, C.. Du gibst mir den Raum dafür. Du bist hier der Mentor meiner inneren Stimme, könnte man sagen. Ohne Dich und die Gewissheit, dass Du diesen Brief mit großer Aufmerksamkeit lesen wirst, könnte diese Stimme gar nicht sprechen. Sie bliebe einfach stumm. Und das ist schon ziemlich beeindruckend, wie ich meine. Zumal, wenn man sich klar macht, dass Aufmerksamkeit die wohl wertvollste Zuwendung unserer Zeit ist. Ein Geschenk. Mit anderen Worten: nicht käuflich. Nichts, was man sich erarbeiten, “verdienen” könnte. Und da frage ich mich: Woher nehme ich eigentlich diese Gewissheit? Diese Gewissheit oder das Vertrauen, dass Du mir diese Form der Zuwendung gewähren wirst und nicht mitten im Satz weg klickst?

Ganz ehrlich, C.? Ich habe keine Ahnung. Ich habe es einfach. Das Vertrauen, meine ich. Es begleitet mich beim Schreiben. Es trägt mich förmlich. Ich bilde mir ein, nicht ich, Du wärst dieses interessierte, verstehende Ich, das mir zuhört.  Als sässest Du hier neben mir am Küchentisch… Und weisst Du was, C.? Jetzt, während ich das so schreibe, fällt es mir plötzlich ein:

Dieses Vertrauen, dass Du mich liest, ist mein Geschenk an Dich. Auch das eine sehr wertvolle Zuwendung. Nicht käuflich. Nichts, was man sich erarbeiten, “verdienen” könnte.

Und?

Was meinst Du dazu?

Gespannt,
Deine K.

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