OFF.

Bild: Anonymes Werk. Gesehen in München, Nähe U-Bahn Kolumbusplatz.

/Gedankenaustausch./ Lieber S., unser gestriges Gespräch ist mir noch nach gegangen. Deine Bemerkung vom gesellschaftlichen “Off”, in das man als Künstler gerät, wenn man nicht den >KUNSTMARKT bedient. Hierzu möchte ich gerne zweierlei sagen:

Erstens halte ich dieses “Off” für den idealen Aufenthaltsort für Künstler. Einmal ganz räumlich gesprochen: wie bitte sollen sie denn ihrer Aufgabe nach kommen und ihre Gesellschaft spiegeln, wenn sie selber ein Teil davon sind? Um ihren Job zu machen, müssen sie sich an einem Ort ausserhalb der Gesellschaft aufhalten. Auch wenn sie ihn vielleicht nur von Zeit zu Zeit aufsuchen.

Zweitens: Man muss nicht auf der Straße leben, um im gesellschaftlichen “Off” zu leben. Man kann auch irgendeiner Arbeit nach gehen, mit der man das Lebensnotwendigste verdient. Betonung auf “irgendeine” Arbeit. Das ist wie ein Lackmustest für Deine künstlerische Freiheit. Für den Fall nämlich, dass Du damit ein >PROBLEM hast, bist Du noch nicht wirklich frei bzw. zu sehr gefangen in dem Wertesystem Deiner Gesellschaft. Freiheit wiederum halte ich für die wichtigste Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten, wenn nicht für die Voraussetzung schlechthin. Eine innere, geistige Freiheit, meine ich. Die Freiheit vom eigenen >SELBSTBILD vor allem. Der blinde Fleck. Oder vielleicht auch “die Insel”, von der >REYLE spricht…

Du sagtest, dass man als Künstler eine Aufgabe übernimmt und sie ausführt. Völlig unabhängig davon, ob man damit Erfolg hat oder nicht. Wie so ein Vertrag, den man mit seinem inneren Auftraggeber abschliesst. Und der Vertrag gilt womöglich für ein ganzes Leben. Du kannst ihn nicht einseitig kündigen. Diese Beobachtung fand ich sehr schön und >WICHTIG. Das >WERTEN dessen, was Du tust, kannst Du ruhig anderen überlassen. Mit Dir und mit Deinem künstlerischen Auftrag hat das zunächst einmal nichts zu tun. Und man könnte es ja auch einmal so sehen: Sei doch froh, dass Du in Ruhe arbeiten kannst! Bei diesem Herrn >REYLE klingelt ständig das Telefon, weil irgendeinem Assi die Folie ausgegangen ist! Wobei es zur Zeit ja eher die Journalisten sind, die bei ihm anrufen und sich nach seinem Befinden erkundigen. Oder mal Fotos in Schiesser Unterwäsche und Adiletten von ihm machen… Nur um dieses seltene Kunsttier anschliessend zusammen mit diesen Fotos in sein Atelier einzusperren und zu schauen, ob es ihm auch gelingt, diese Scheiße in Gold zu verwandeln…  Also bitte. Von einer Auszeit kann dieser Mann doch nur noch träumen! Alles wird vom Markt verschlungen. Da kann er machen, was er will. Und wenn er sich morgen in seinem Atelier erhängt, dann treibt das übermorgen seine Preise in die Höhe. Das muss man sich einmal vorstellen… Was für ein Leben!!! Und zu diesem Leben gehört auch die Tatsache, dass dieser Mann nie das Gefühl haben darf, dass seine Sammler beim Kauf seiner Bilder wirklich seine Bilder meinen. Die Bilder, also das, was darauf zu sehen oder was durch sie sichtbar wird, ist den Leuten doch völlig wurscht! Würden sie das wirklich einmal sehen, ich meine – würden sie wirklich einmal durch diese Bilder hindurch sehen, wie durch einen >SPIEGEL, dann sähen sie darin nämlich tatsächlich nur noch sich selbst. Sie sähen ihre unendliche Leere und Langeweile. Ihre unendliche Sehnsucht nach Wert, Selbstwert und Sinn. Einer Sehnsucht, die sich nur noch in Gier artikulieren kann. Einer Gier, die mit jedem Häppchen, das sie verschlingt, den Hunger nach mehr erzeugt. Und klingt das nicht schon wieder so, wie der Klappentext zu >REYLES nächsten Ausstellungskatalog? Im Museum dann nämlich? So schaut es aus. Im vermeintlichen “In” zumindest. Da gehören wir doch auch dazu. Und die Frage ist doch nicht – wie kommen wir da “rein”? Die Frage ist vielmehr -

Wie kommen wir da jemals wieder “raus”?

K.

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