ANGEBERKARTE.

Illustration: www.comthings.de

/Briefing./ Sehr geehrter Herr H., traurig. Richtig traurig und bedrückt bin ich von Ihrem Vortrag nach Hause geschluppt. So schlecht war die Welt wieder einmal! Ich fasse es nicht… Haben Sie denn keinen Texter im Haus? Das kann man doch in drei Sätzen zusammenfassen, was Sie da neulich erzählt haben. Oder haben Sie den auf die Schnelle nicht gefunden? Bei den vielen Häusern, die Sie auf der Welt verteilt haben… “Themaverfehlung” ist doch gar kein Ausdruck! Der Ausdruck “Themaverfehlung” war doch völlig verfehlt!!! Einmal abgesehen von der Frage, ob das überhaupt jemanden interessiert. Es steht doch seit 20 Jahren in jeder Zeitung! Ich meine, dass Nachhaltigkeit für die Menschen unserer Zeit ein Thema ist, dürfte doch mittlerweile hinlänglich bekannt sein, oder? Und dass es damit für Unternehmen ein Verkaufsfaktor ist, ist doch logisch. Dass man es deshalb kommunizieren sollte, würde ich persönlich zwar anzweifeln, aber ich gebe zu: der Gedanke liegt nahe. Auch dass es nichts bringt, Dinge zu sagen, die nicht stimmen, wissen wir nicht erst seit den sozialen Medien. Vertrauen in die Marke… bla, bla bla… Also lassen wir das. Denn all das hätte ich Ihnen noch nicht einmal übel genommen, Herr H.. Und zwar noch nicht einmal deshalb, weil ich dafür die erste Halbzeit von Deutschland gegen Spanien verpasst habe. Oder weil Sie womöglich den deutschen Mediapreis dafür bekommen haben. Andererseits konnten Sie da ja irgendwie auch nichts dafür… (Seufz.)

Nein.

Also wissen Sie, wo mir einfach nur die Kinnlade herunter geklappt ist? Der Moment, wo Sie diese so sexy und nachhaltigkeitsdesignte Flüssigwasch- mittelverpackung neben die Tüte von >FROSCH gestellt und gesagt haben, es ginge hier nicht um Gutmenschtum sondern um Umsätze. Das hat mich umgehauen. Und wie Sie dann auch noch elegant belegt haben, dass das funktioniert. Mit ein paar von diesen endsschlecht bis gar nicht gestalteten Pappen. In der >TYPOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT! Wahrscheinlich haben sich Ihre Grafiker geweigert, das zu gestalten, stimmts? Egal. So geht’s nicht, Herr H.. Tut mir leid. Und da muss ich jetzt meine berühmt berüchtigte >KEULE auspacken. Leider. Obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich es hinterher wieder bereue…  Aber das m-u-s-s raus. Und zwar jetzt. Sonst platze ich nämlich. Vor Wut. Und dann wären Sie auch noch daran schuld, dass ich vor Wut geplatzt wäre. Und das will ich Ihnen nicht auch noch in die Schuhe schieben, Herr H.. Also passen Sie auf:

Haben Sie sich eigentlich schon einmal überlegt, wie es dazu kommt, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ heutzutage so groß ist, dass Unternehmen nicht mehr darum herum kommen, sich darüber Gedanken zu machen? Oder wieso der Aldi heute Bioprodukte im Regal hat? Oder wieso Werber wie Sie heute mit diesem Thema Umsätze machen?

Es kommt tatsächlich daher, dass vor mehr als 40 Jahren, auf dem Höhepunkt der Spaßgesellschaft, ein paar eigensinige Querköpfe in selbstgestrickten Wollpullovern aufs Land zogen und Schafe züchteten. Und dass in der Folge viele, viele Menschen für nachhaltige Produkte mehr gearbeitet, weniger Umsätze gemacht, auf ein tolles Image verzichtet oder höhere Preise bezahlt haben. Nur, weil sie davon überzeugt waren, dass es „gut“ oder „richtig“ oder eben “nachhaltig” war, was sie da taten. Auch wenn sie von der Gesellschaft dafür belächelt, verspottet oder sonst wie an den Rand gestellt und fertig gemacht wurden. So war das. Und das sollte man bedenken und würdigen, wenn man schon solche großen Worte wie „Nachhaltigkeit“ und „Vertrauen“ im Munde führt. Finde ich jedenfalls. Noch besser finde ich es allerdings, wenn man sich heute schon den Themen zuwendet, mit denen sich dann hoffentlich einmal in 40 Jahren Umsätze machen lassen. Auch als Werber. Oder gerade dann. Und damit komme ich zum Kern dieses Briefes, Herr H.:

Die Angeberkarte…

Also Vorsicht. Es geht ans Eingemachte… Denn dass Sie das „Angeberchart“, wie Sie es nannten, bei Ihrem Vortrag in der Tasche haben und dass Sie dieses Ding aber in der Tasche lassen statt es an die Wand zu beamen… Darf ich raten? Darauf war die steile Aufwärtskurve Ihrer Billings  zu sehen, stimmts? Und dass Sie das den Leuten auch noch s-a-g-e-n… Dass Sie es tatsächlich fertig bringen, sich da vorne hin zu stellen und den Leuten zu sagen, dass Sie Ihre Angeberkarte jetzt aber lieber in der Tasche lassen… Das geht zu weit. Und das nehme ich Ihnen wirklich, wirklich so richtig übel, Herr H.. Also wirklich. Und zwar in meiner geheimen Identität als Werber. Ich meine… Wie können Sie nur so etwas machen? Das einzige chart, mit dem Sie wirklich und wahrhaftig und authentisch und glaubwürdig die Botschaft dieses Abends auf den Punkt gebracht hätten? Und ausgerechnet dieses chart lassen Sie in der Tasche?!??

Ich fasse es nicht…

Fieser Trick. Ganz fies… Aber machen Sie sich nichts daraus, Herr H.. Ich habe Sie durchschaut. Den Trick kenne ich. Von mir selber nämlich. Man möchte da irgendwie besser da stehen, als man in Wirklichkeit ist, stimmt’s? Und Sie haben es ja selber gesagt: das zieht nicht. Nicht mehr heute. In der sozialen Variante der Kommunikation. Und ich meine jetzt aber bitte nicht, dass Sie als Werber keine Tiefstaplerkarte auf den Tisch legen dürfen. Nein, nein… Das meine ich nicht. Klar dürfen Sie das. Müssen Sie vielleicht sogar. Sie müssen dazu nur a) wissen, dass die Tiefstaplerkarte die schlimmste aller Angeberkarten ist und Sie müssen b) auch der nachhaltige Tiefstapler s-e-i-n. Das ist das Problem. Das hat mit der Identität von Sein und Schein zu tun und ist die Essenz sozialer Markenkommunikation. Haben Sie ja selber gesagt an diesem Abend, oder? Und da frage ich Sie:

S-i-n-d Sie das? Der nachhaltige Tiefstaplertyp?

Dann hätte ich nämlich ein paar super Ideen, wie Sie das glaubhaft rüber bringen können. Ideen habe ich nämlich. Jede Menge sogar. Was mir allerdings in zunehmendem Maße fehlt, sind Umsätze, Herr H.. >GELD. Und zwar seltsamerweise im umgekehrten Verhältnis zu dem aktuellen Reichtum meines >IDEENKONTOS. Und das finde ich jetzt bei näherer Betrachtung hochinteressant:

Denn während Sie so bar jeder Idee jede Menge Umsätze machen und einen Standort nach dem anderen aus dem Boden stampfen, tendiert meine Umsatzkurve zielstrebig gegen Null. Mein Standort ist mittlerweile auf einen Stuhl an meinem Küchentisch zusammen geschrumpft… Und das gibt mir schwer zu denken. Übrigens nicht nur mir, Herr H., sondern auch dem >ADC. Der veranstaltet derzeit einen >KONGRESS zu dem Thema “Ideen sind das Geld von morgen” und mit dieser Idee verdient der Geld. Und zwar nicht erst morgen, sondern heute. Und nicht zu knapp, wie ich den kenne. Und wetten, die Idee ist geklaut? Hier. Von der >BRANDEINS zum Beispiel… Und da frage ich mich doch, wie die das alle machen. Mit dem >GELDVERDIENEN, meine ich. Haben Sie da vielleicht eine Idee?

Nein?

Na klasse… Dacht ich mir’s doch. Alles muss man selber machen. Also dann lassen Sie mich gefälligst in Ruhe, ja? Ich muss jetzt arbeiten!

Besten Gruß,
K.M.

3 Kommentare zu “ANGEBERKARTE.

  1. Susanne

    Meinst Du, dass der kommt?

  2. Katalin

    Du meinst zu unserem analogen Treffen? Ich habe übrigens gerade reserviert…

  3. Susanne

    ich freue mich

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